Wieviele Menschen sind wohl schon über diese Erde gekrochen?

Ich finde die Frage interessanter wieviele Menschen theoretisch gleichzeitig auf der Erde leben können. Hier mal ein Gedankenspiel von Asimov.

Isaac Asimov hat gesagt.:
Die gute Erde stirbt

Wer sich die Frage stellt, wie viele Menschen die Erde auszuhalten vermag, geht am
sichersten von überprüfbaren Zahlen aus: schätzungsweise gibt es auf der Erde 20 Billionen
Tonnen lebende Zellen, davon sind zehn Prozent oder zwei Billionen Tonnen tierisches
Leben. Fürs erste kann diese Zahl als Maximalwert betrachtet werden, da sich das pflanzliche
Leben der Quantität nach nicht vermehren kann, ohne dass die Sonnenstrahlung erhöht oder
seine Fähigkeit, das Sonnenlicht zu verarbeiten, verbessert wird. Das tierische Leben dagegen
kann sich quantitativ nicht vermehren, ohne dass sich die Pflanzenmasse vermehrt, die ihm als
Grundnahrungsmittel dient.
Die Zahl der Menschen hat sich im Lauf der Jahrhunderte vermehrt und vermehrt sich weiter.
Aber sie vermehrt sich auf Kosten anderer Formen tierischen Lebens. Jedes zusätzliche
Kilogramm Menschheit bedeutet mit absoluter Zwangsläufigkeit ein Kilogramm nichtmenschlichen
tierischen Lebens weniger. Wir könnten also argumentieren, dass die Erde
maximal eine Menschheitsmasse ernähren kann, die der gegenwärtigen Masse allen tierischen
Lebens entspricht. Das wären nicht weniger als 40 Billionen - über 11000 mal mehr als
gegenwärtig. Allerdings würde daneben keine andere Spezies tierischen Lebens existieren.
Was bedeutet das? Die gesamte Erdoberfläche umfasst 510 Millionen Quadratkilometer.
Würde die menschliche Bevölkerung die Höchstzahl erreichen, so hätte das eine Durchschnittsdichte
von 80 000 Menschen pro Quadratkilometer zur Folge, die doppelte Dichte der
New Yorker Insel Manhattan. Man stelle sich diese Menge aber gleichmäßig verteilt vor, auch
über die Polargebiete, die Wüsten und die Meere.
Man muss dieses Bild noch etwas weiter entwickeln: es zeigt dann einen riesigen,
weltumspannenden Komplex hochaufragender Gebäude über dem Land wie über dem Meer.
Das Dach dieses Komplexes würde ausschließlich dem Pflanzenbau vorbehalten sein: Algen,
die essbar sind, oder höhere Pflanzen, die entsprechend behandelt werden müssen, um in allen
Teilen genießbar zu werden.
In engen Abständen würden Leitungen angebracht sein, durch die Wasser und
Pflanzenprodukte rinnen. Die Pflanzenprodukte würden gefiltert, getrocknet, behandelt und
zu Nahrungsmitteln verarbeitet werden, während das Wasser in die Tanks auf
dem Dach zurückliefe. Andere Leitungen würden die für das pflanzliche Wachstum
notwendigen Rohmineralien, bestehend aus (was auch sonst!) menschlichen Abfällen und
zerstückelten Leichen, auf das Dach befördern. Zu diesem Zeitpunkt ist eine weitere
Vermehrung der Menschheit natürlich unmöglich, so dass dann - wenn nicht schon vorher -
eine kategorische Bevölkerungsplanung erforderlich würde.
Doch wenn eine Menschheit solchen Umfangs theoretisch auch denkbar ist, so muss man
doch fragen, ob es hier noch um eine Art Leben geht, das mit humanen Standards vereinbar
ist.
Aber vielleicht können wir Raum und Zeit kaufen, indem wir Menschen auf den Mond
verpflanzen? Auf den Mars?
Überlegen wir zuvor, wie lange man unter den gegenwärtigen Bedingungen brauchte, um den
globalen Höchststand zu erreichen. Zur Zeit beträgt die Bevölkerung der Erde 3,6 Milliarden.
Sie wächst mit einer solchen Geschwindigkeit, dass sich diese Zahl in 35 Jahren verdoppelt
haben wird. Vorausgesetzt, dass es bei diesem Rhythmus bleibt, wäre in 465 Jahren der
Bevölkerungshöchststand erreicht. Der weltweite Hochbauten-Komplex dürfte also im Jahre
2436 errichtet sein.
Vielleicht aber wird doch eine Anzahl von Menschen m den nächsten 465 Jahren auf dem
Mond oder anderswo gelandet und ernährt werden? Wer vernünftig ist, "wird davon absehen,
solche Fragen zu stellen. Aber vielleicht könnten wir Zeit gewinnen, indem wir über die
Sonne hinausgehen? Indem wir die Wasserstoff-Fusionsenergie zur Bestrahlung des Pflanzenlebens
nutzen? Oder indem wir im Labor künstliche Nahrungsmittel herstellen und auf diese
Weise unabhängig von der Pflanzenwelt werden?
Erforderlich wäre Energie, und damit kommen wir zu einem weiteren Aspekt. Die Sonne
bestrahlt die Tagseite der Erde mit etwa 15000 mal mehr Energie, als die Menschheit gegenwärtig
nutzt. Die Nachtseite der Erde muss genau die gleiche Wärmemenge in den Raum
zurückstrahlen, wenn die Durchschnittstemperatur der Erde erhalten bleiben soll. Wenn nun
die Menschheit durch die Verbrennung von Kohle die Wärme auf der Erde erhöht, dann muss
diese zusätzliche Energie ebenfalls in den Raum ausgestrahlt werden, und um das zu erreichen,
muss die Durchschnittstemperatur der Erde leicht ansteigen.
Gegenwärtig bewirkt die menschliche Energieerzeugung nur einen unerheblichen
Temperaturanstieg. Diese zusätzliche Energie jedoch verdoppelt sich alle 20 Jahre. Bei
diesem Rhythmus wird die Wärmemenge, die die Erde zurückstrahlen muss, im Jahre 2436
ein Prozent der Sonnenenergie betragen, und damit werden sich unannehmbare Temperatur-
Veränderungen einstellen.
Infolgedessen müssen wir schon dreihundert Jahre vor dem globalen Höchststand des Jahres
2436, wenn die menschliche Bevölkerung weniger als fünf Prozent ihrer äußersten Höchstzahl
erreicht hat, eine Begrenzung des Energieverbrauchs hinnehmen. Wir könnten die
Situation dadurch verbessern, dass wir die Energie sinnvoller nutzen, aber diese Nutzung
kann 100 Prozent nicht übersteigen und bedeutet folglich keine große Verbesserung.
Fraglich ist, ob wir uns auf die erforderlichen Fortschritte der Technologie verlassen können:
wie kann der weltumspannende Hochbauten-Komplex überhaupt vernünftig gedacht werden,
wenn sich die Wohnverhältnisse selbst in den fortschrittlichsten Nationen ständig
verschlechtern? Wie können wir die Grenze des Energieverbrauchs anvisieren, wenn schon
das Energie-Defizit der Stadt New York alljährlich wächst? Unlängst erst, als anlässlich der
dritten Mondlandung die Einschaltziffern des Fernsehens anstiegen, musste die elektrische
Spannung sofort reduziert werden.
Im Jahre 2000 wird die Bevölkerung der Erde auf mindestens sechs Milliarden angewachsen
sein. Wird die Technologie diese Menschenmengen auch nur in den gegenwärtigen, völlig unzulänglichen
Grenzen versorgen können? Werden menschliche Standards angesichts solcher
Zahlen (ganz zu schweigen von den 40 Billionen) noch gewährleistet sein, wenn es schon
heute unmöglich ist, sich nachts (und oft sogar am Tage) ungefährdet durch die größte Stadt
der fortschrittlichsten Nation der Welt zu bewegen?
Blicken wir besser überhaupt nicht in die Zukunft, sondern betrachten wir entschlossen die
Gegenwart: die USA sind die wohlhabendste Nation der Welt. Jede andere Nation möchte
zumindest ebenso wohlhabend sein. Aber die USA können so nur leben, weil sie mit nur einem
Sechzehntel der Erdbevölkerung etwas mehr als die Hälfte aller Energie nutzen, die für den
menschlichen Verbrauch produziert wird.
Würde ein Zauberer seinen Stab rühren und eine Erde schaffen, auf der alle Menschen auf
dem Niveau der Amerikaner leben, so würde sich der Energieverbrauch sofort verachtfachen
und die Produktion von Abfällen und Verunreinigungen zwangsläufig im gleichen Maße
zunehmen - ohne jeden Bevölkerungszuwachs!
Fragen wir nun erneut, wie viele Menschen die Erde bei einem wünschenswerten
zivilisatorischen und humanen Standard auszuhalten vermag, so kann es nur eine kurze und
erschreckende Antwort darauf geben: weniger als heute!
Die Erde kann ihre gegenwärtige Bevölkerung unter den gegebenen Verhältnissen
offenkundig nicht nach dem Durchschnittsniveau des amerikanischen Standards versorgen;
die Grenze liegt zur Zeit vielleicht bei rund 500 Millionen. Das Wohlergehen des einzelnen
wird sich dabei vermutlich weiterhin verschlechtern: die Kalorien pro Kopf werden weniger,
der Lebensraum kleiner werden, der Komfort zurückgehen. Wer weiterdenkt, muss auch in
Rechnung stellen, dass der Mensch in seiner wachsenden Beunruhigung maßlose
Anstrengungen macht, alle technologischen Mittel zu mobilisieren, und zwangsläufig damit
die Umwelt noch weiter verschmutzt, mithin auch ihre Fähigkeit reduziert, die Menschen im
Ganzen zu erhalten. Dann könnte es zu einem Kampf aller gegen alle kommen, in dem jeder
versucht, einen angemessenen Teil des schrumpfenden Lebenspotentials zu gewinnen.
In nicht allzu ferner Zukunft -würde auch das Bevölkerungswachstum zum Stillstand
kommen, denn die Sterblichkeitsziffern würden sich katastrophal erhöhen. Hungersnöte
würden hereinbrechen, die Menschen von Pest und inneren Unruhen heimgesucht werden.
Und irgendwann, im Jahre 2000 vielleicht, könnte ein Regierungschef verzweifelt genug sein,
auf den Atomknopf zu drücken.
Dieser Pessimismus wird nur zu widerlegen sein, wenn die Menschen aufhören, nach den
Maximen der Vergangenheit zu leben. Sie haben im Verlaufe ihrer Geschichte einen Verhaltensstil
entwickelt, der einer leeren Erde und einer kurzen Lebenserwartung angemessen
ist. In einer solchen Welt war es geboten, viele Kinder zu haben, einen Zuwachs an Menschen
und Macht anzustreben, m den endlosen Raum vorzudringen und sich für einen begrenzten
Teil der Menschheit einzusetzen.
All das kann heute nicht mehr gelten. Gegenwärtig ist die Kindersterblichkeit niedrig, die
Lebenserwartung hoch, die Erde überfüllt. Was in einer vergangenen Welt gesunder
Menschenverstand war, ist ein selbstmörderischer Mythos geworden: wir können uns nicht
mehr so verhalten, als sei es die Lebensaufgabe der Frau, eine Gebärmaschine zu sein, und
der größte Segen eines Mannes sein Kinderreichtum. Mutterschaft ist ein Privileg, das wir
buchstäblich rationieren müssen. Wahllos erzeugte Kinder werden der Tod des
Menschengeschlechts sein; jede Frau, die bewusst mehr als zwei Kinder gebiert, begeht ein
Verbrechen gegen die Menschheit.
Daraus folgt auch eine veränderte Einstellung gegenüber dem Sex. In der bisherigen
Geschichte wurden Männer und Frauen gelehrt, die Funktion der geschlechtlichen Liebe
bestehe darin, Kinder zu haben. Offensichtlich können wir uns solche Ansichten nicht länger
erlauben. Da der Sex nicht unterdrückt werden kann, muss er von der Empfängnis getrennt
und zu einem geselligen zwischenmenschlichen Vorgang entwickelt werden.
Auch der Ehrgeiz nach dem Größeren und Besseren, der die Menschheit durch die
Jahrtausende beflügelte, ist gefährlich geworden. Wir haben das Stadium erreicht, wo größer
nicht mehr gleichbedeutend mit besser ist. Das besinnungslose Streben nach mehr Menschen,
mehr Ernten, mehr Produkten, mehr Maschinen, nach mehr und immer mehr, hat bis zu
unserer Generation schlecht und recht funktioniert: in Zukunft würde es uns ziemlich schnell
zugrunde richten.
In der Tat, zum erstenmal hat die Menschheit ihre Grenze erreicht; begrenzt werden muss die
Bevölkerungszahl, die Beanspruchung der Naturvorkommen, die Abfallerzeugung und der
Energieverbrauch. Die Aufgabe lautet ganz allgemein: zu erhalten. Wir müssen die Umwelt
erhalten, die Verhaltensformen, die zur Konsistenz und Lebensfähigkeit der Biosphäre beitragen,
die Schönheit und die Harmonie.
Einer Änderung bedarf auch die Einstellung zum Patriotismus. Der Preis für den Streit der
Völker hat unannehmbare Größenordnungen angenommen, und es kann kein Zweifel sein,
dass der Zweite Weltkrieg der letzte Krieg war, der von Großmächten unter Einsatz
maximaler Gewalt auf unserem Planeten ausgefochten werden konnte. Seither sind nur noch
begrenzte Auseinandersetzungen denkbar, und selbst diese erweisen sich als ungeheure
Torheiten, wie die Verwicklungen in Südostasien und im Nahen Osten zeigen. Die Welt ist zu
klein für jenen Patriotismus, der zu Kriegen führt. Wir dürfen zwar auf unser Land, unsere
Sprache, unsere Kultur oder unsere Traditionen stolz sein, aber es darf nur jener abstrakte
Stolz sein, den wir einem Baseball-Team entgegenbringen - ein Stolz, der nicht von
Waffengewalt gedeckt werden kann.
Patriotismus ist nicht einmal mehr in Friedenszeiten nützlich. Die Probleme unserer Welt sind
planetarisch. Keine Nation ist ihnen allem gewachsen. Sosehr einzelne Staaten auch ihre
Bevölkerungszahl innerhalb ihrer Möglichkeiten stabilisieren und ihre eigene Umwelt
schützen mögen - ihre Anstrengungen blieben sinnlos, wenn die übrige Welt sich weiterhin
uneingeschränkt vermehrte und ihre Vergiftungsaktivität fortsetzen würde. Selbst wenn jede
Nation ehrlich, doch ganz für sich, Abhilfe schüfe, "würden die Lösungen der einen Nation
nicht unbedingt denen ihrer Nachbarn entsprechen, so dass alle Bemühungen fehlschlagen
könnten.
Kurz: Probleme von planetarischem Ausmaß erfordern ein planetarisches Programm und eine
planetarische Lösung. Erforderlich dafür ist nichts weniger als eine Weltregierung, die zu
logischen und humanen Entscheidungen gelangen und diese auch durchsetzen kann.
Natürlich widerstreben uns alle diese Veränderungen. Wer möchte die Mutterschaft
degradieren und Babys als Feinde betrachten? Wer ist bereit, seinen Nationalstolz einer
Weltregierung unterzuordnen, auf eine maximale Ausbeutung der Welt zu verzichten und statt
dessen eine kontrollierte und begrenzte Nutzung zu akzeptieren?
Doch die Logik der Ereignisse zwingt uns in jene Richtung. Die Geburtenziffer sinkt in den
Nationen, die Zugang zur Geburtenkontrolle haben. Die sexuellen Sitten lockern sich überall
Die Menschen sorgen sich erstmals um die Umwelt.
Vor allem und Ermutigenderweise geht der Patriotismus zurück. Die soziale und
wirtschaftliche Zusammenarbeit nimmt zu, und es herrscht sichtlich völlige Klarheit darüber,
dass ein großer Krieg, vor allem zwischen den USA und der Sowjet-Union, unzulässig ist.
Doch ist es diesen Nationen nicht nur untersagt, sich zu bekämpfen, sie dürfen sich nicht
einmal mehr verbal befehden.
Der Fortschritt in der angedeuteten Richtung scheint keine Frage der freien Wahl zu sein. Die
störrische Menschheit bewegt sich unter dem Druck der Umstände allmählich vorwärts. Doch
vollzieht sich dieser Fortschritt nicht rasch genug. Das Bevölkerungswachstum schreitet
weiterhin schneller fort als die Erziehung zur Geburtenkontrolle: die Verschmutzung der
Umwelt wächst weiterhin rascher als unsere Bereitschaft, Abhilfe zu schaffen; schlimmer
noch, die Nationen streiten sich immer noch verbissen und stellen ihren provinziellen Stolz
über Leben und Tod der menschlichen Art-Zweifellos kann die Menschheit eine weitere
Generation ständig wachsender Beanspruchung nicht überleben. Wenn es so weitergeht wie
bisher und die Veränderungen nicht schneller als bis zum Jahre 2000 eintreten, wird die
technologische Struktur der menschlichen Gesellschaft fast mit Sicherheit zerstört sein. Die
Menschheit, in barbarische Zustände zurückgeworfen, könnte dann durchaus ihrer Auslöschung
entgegensehen und der Planet selber ernstlich seine Fähigkeit einbüßen, das Leben zu
erhalten.
 
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