Praktika in der Architekturbranche ohne Aussicht auf Anstellung

Wolli_3D

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Ich habe gerade die Geschichte mit dem Praktikumsgehalt gelesen und dachte mir, ich mache mal einen neuen Thread zum Thema Praktikum auf.
Ich studiere zur Zeit noch Landschaftsarchitektur und habe im letzten Jahr verstärkt darauf geachtet, was die Leute so treiben, wenn sie mit dem Studium fertig sind. Eines ist mal klar: die Berufsaussichten allgemein in der Branche Architektur sind mehr als mies, das betrifft auch mein Tätigkeitsfeld.
Viele haben Praktika gemacht, bei denen sie mehr als unzufrieden waren. Meistens nicht wegen der miesen Bezahlung, wenn es überhaupt Kohle gab, sondern wegen der absolut unsozialen Behandlung. Ein konkreter Fall: Ein namhaftes Landschaftsarchitekturbüro aus Hamburg hatte bis vor einigen Jahren noch ca. 50 Festangestellte. Durch die schlechte Wirtschaftslage haben sie nun nur noch 16 Angestellte (Ist auf jeden Fall noch super) Die fehlenden Mitarbeiter werden mit Praktikanten aufgefüllt. Eine sehr gute Freundin von mir hat dort ein halbes Jahr als Praktikantin gearbeitet für immerhin 500€ im Monat. Wer die Hamburger Mietpreise kennt, weiß, daß man für 500 € höchstens ein Wohnklo im äußersten Bereich Hamburgs bekommt. Nunja, sie pendelte täglich und das Geld reichte trotzdem nicht, zudem waren 60 Stunden in der Woche dort völlig normal. Als sie nun einmal beim Boss anfragte, ob eine kleine Erhöhung von etwa 50 € möglich sei, wies dieser zur Tür und meinte, sie wüßte wo die Tür ist. In 20 Minuten würden 2 neue Praktikantenbewerber vor der Tür stehen mit noch höherer Qualifikation und diese würden für lau arbeiten. Tja, so sieht es aus in Deutschland, zum Glück nicht überall, doch die Büros, die einen Namen haben, lassen nur hochqualifizierte Leute bei sich arbeiten, und wir Studenten, die verzweifelt Berufserfahrung nach dem Studium suchen, machen das alles auch noch mit. Zwangsweise.

Ich frage mich manchmal, wozu das ganze Gerede von sozialer Gerechtigkeit gut sein soll, wenn unter uns weiterhin junge Menschen ausgebeutet werden. Wir haben halt keine Lobby. Da müssen sich die Wirtschaft und die Politik nicht wundern, wenn wenig Kinder in die Welt gesetzt werden, wir haben einfach keine Zeit dafür.

Kann jemand Ähnliches berichten? Oder gibt es andere Erfahrungen? Die Angst nach dem Studium ins tiefe Loch zu fallen, kennt vielleicht auch der eine oder andere?

Thomas Wollenburg
 
Zuletzt bearbeitet:

Acidfood

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Du sprichst mir aus der Seele!

Eigene Erfahrung gehen mal nicht soweit wie die von deiner Bekanten, haben aber ähnlichen Inhalt.

Letzte Woche hatte ich ein Vorstellungstermin bei einem wirklich in Europa angesagtem CGI Büro, Gespräch lief auch sehr gut und alles sah danach aus das ich die Stelle bekommen sollte. Es hieß nur noch das der Geschäftsführer mit seinem Partner darüber verständigen muss und dann melden sie sich umgehend. Axo fast vergessen Geld sollte es für dieses Praktikum auch geben ca. 500€ plus Bonus wenn man an einem aktuellen Projekt mitbeteiligt ist.

Hört sich für aussenstehende gut an für ein Praktikum, jetzt kommt aber der fette Haken.

Punkt 1 für dieses Praktikum hätte ich jeden Tag ca. 3-4 h Pendeln müssen was mit Monatskarte ca. 200 € im Monat für den Zug ausgemacht hätte. Ok nimmt man gerne in Kauf man will ja auch was lernen. Nur zu dumm das ich das Praktikum nicht für mein Studium mehr gebrauchen könnte, weil ich ja schon fertig bin! Als Absolvent in der heutigen Zeit hat man es schon arg schwer. Das dich keiner sofort anstellt ist verständlich aber erklär mir mal einer wie ich mich von 500€ einen Monat ernähren soll abzüglich Miete, Fahrkosten und laufende Kosten reicht das nicht im Traum.

Punkt2 trotzdem hätte ich das Praktikum gerne in den Büro gemacht, nur leider habe ich die Stelle nicht bekommen weil einer der nicht Pendeln muss die Stelle angenommen hat und vielleicht auch noch für weniger. Das ist nicht nur traurig sondern frustet einen ungemein.

Ich hoffe das sich dies Missstände möglichst bald ändern, habe nähmlich nicht wirklich Lust noch irgendwo eine Ausbildung anzufangen als Bäcker, Gartenpfleger oder Maurer.

Meine persönliche Meinung geht ja eher negativ an die Zukunft.

Wenn im Herbst die Studiengebüren auf eine Vielzahl von Studenten zukommt die eigentlich nur noch Student sind um halbwegs attraktiv für irgendwelche Arbeitgeber zu sein und sich vielleicht hier und da einen Euro sparen. (Vergünstigungen als Student)

Werden die Arbeitslosenzahlen deutlich nach oben steigen, weil es sich dann ja auch garnicht mehr lohnt den Studentenstatus zu waren. Folgerichtig müssten Löhne für Absolventen für Praktikas oder Anstellungen nach oben gehen, was sicher nicht passiert.

Ich kann es einfach nicht verstehen das wir in Deutschland ein riesen Haufen gut Ausgebildeter Absolventen haben die keine Arbeit bekommen. Mich persönlich nervt es in dem Bezug an das ich echt schon einen großen Haufen Bewerbungen weggeschickt habe und nicht eine was gebracht hat. (ok ich sage die Zahl ca. 90 im letzten halben Jahr)
Und ich bewerbe mich schon auf Stellen die auf meine Qualifikationen passen.

Ok einen letzten Satz noch dann ist gut.

Ohne Beziehungen läuft heute garnix mehr Haste keine; Pech gehabt. Sie zu wie de mit dem an die Wand kommst.

Gruss Christian

Ps.: Irgendwann wird das schon klappen...
 

Wolli_3D

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Hey Acidfood,

genauso erging es vielen meiner Mitstudenten. Es ist momentan leider kein Ende abzusehen. Weißt Du, was mich am meisten nervt, ist die Tatsache, daß die Absolventen das auch noch mitmachen. Wenn wir einfach nicht mitspielen würden, wäre das für manches Büro das Aus. Die halten sich doch nur, weil sie billige Praktikanten haben und vor allem hochqualifizierte Leute. Ich spiele mit dem Gedanken, wenn ich nach einem Jahr nichts bekomme, diesem Land den Rücken zu kehren, da hier auf der einen Seite nach hochqualifizierten Leuten geschrien wird, auf der anderen Seite aber ein riesiger Mob an arbeitslosen Akademikern herum hängt. Irgendwas läuft doch da nicht richtig. Oder?
Hier werden absolut falsche Maßstäbe an zukünftige Fachleute gelegt, die nichts mit der Realität zu tun haben.

Wenn sich hier nix tut, bin ich weg. Ich meine, das interessiert zwar eh keine Sau, doch wenn das in Mode kommt, besteht Deutschland bald aus arbeitslosen, bildungsfernen Sozialhilfeempfängern.

So genug geheult, jetzt wieder ran an die sinnlose Tätigkeit: Diplomarbeit.

Liebe Grüße

Thomas Wollenburg
 

Acidfood

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Dir viel Glück bei Deiner Diplomarbeit.

Leider gibt es zuviele von uns die dann immernoch für 300 € oder 500 € gehen, egal ob ich streike oder nicht. Eigentlich ist die Idee ja gut nur wirtschaftlich gesehen ist das eine Bankroterklärung.

Oder wer finanziert Deine Wohnung, Dein Essen, Dein Handy, Dein Strom, Dein Auto oder Moped (eventuell), und Deine anderen laufenden Kosten.

Sicher wäre ich auch schon längst weg, nur müsste ich dann alleine weggehen und meine fast 10jährige Beziehung in den Wind schießen, weil das funktioniert nie. Was Aufbauen kann man sich auch nicht, langfristige Planungen kann man auch ganz schnell abhaken. Egal wie man es dreht es sieht von jeder Ecke aus betrachtet Sche.... aus.

Gruss Christian

Ps.: schaumal den Link und falls du magst kannst du nach deinem Diplom das mal gleich Abonieren, kostet zwar ne ganze Stange Geld ist aber ne gute Alternative zu Standart Jobbörsen wie (meinestadt.de oder arbeitsamt oder oder)

Für deinen Bereich musste dann arbeitsmarkt Umweltschutz|Naturwissenschaften abonieren, kannst ja auch erstmal ein Probeexemplar testen.

Link
 

Wolli_3D

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Hey Acidfood,

kennst Du eigentlich keinen Mitabsolventen, der erfolgreich irgendwo eine Anstellung gefunden hat? So etwas muß es doch auch noch geben.
Ich kenne da ein oder zwei Leute, die einen Arbeitsplatz gefunden haben, ganz normaler Weg: vorher ein Praktikum, welches bezahlt wurde, dann Übernahme in Festanstellung. Das sind aber nur kleine Büros, die noch keinen großen Namen haben. Von denen halte ich mich erstmal fern. Büros nit großem Namen sind meistens auch Halsabschneider und Blutsauger. Das Büro aus Hamburg macht gar keine richtige Planung, die nehmen nur an Wettbewerben teil. Unter einem Preisgeld von 25.000,-€ rühren die keinen Finger. Mich wundert nur, daß sie ständig gewinnen. Wie machen die das?

Keine Ahnung und ich finde auch, daß sie noch nicht mal sehr gelungene Pläne abliefern, ich vermute mal, daß dort auch ein wenig Schmuh betrieben wird. Ich denke, hier gilt auch die Regel : Ohne Vitamin B kein Wettbewerb Gewinn.

Gruß
Thomas Wollenburg
 

Wolli_3D

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Hi,

ich muß da noch was hinzufügen:

Also ich habe in den Medien ein bißchen rumgeschnüffelt und folgendes gefunden:

http://www.pixel-kultur.de/fairwork/news.php

Hier haben sich Betroffene zusammen getan und Presse und Fernsehen sind darauf aufmerksam geworden. Wer sich also selbst betroffen fühlt und in Sachen Praktikum unsicher ist und Fragen hat kann sich hier sehr gut informieren.

Das ist ein ganz heißer Tip gegen Praktikanten Ausbeutung.

Gruß
Thomas Wollenburg
 

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